Du sollst Dich nicht der Mehrheit anschließen,
wenn sie im Unrecht ist
2. Mose 23, 7
Auf den ersten Blick würde eine deutliche Mehrheit der Leserinnen und Leser dieser Monatsgedanken sicher dem Vers aus dem Alten Testament sofort zustimmen.
Doch gewiss tauchen im Handumdrehen sofort eine Menge Fragen auf, z.B. jene, ob damit nicht das Grundprinzip aller Demokratien in Gefahr gerät!? Wenn eine Mehrheit sich etwa in einer Wahl für einen Weg entscheidet, dann muss sich doch jeder daran halten! Aber es fallen uns sicher auch sofort aktuelle und historische Beispiele ein, wo eine Mehrheit sich manchmal sogar für einen verhängnisvollen Weg entschieden hat. In Europa blickt man in diesem Jahr besonders auf die Präsidentschaftswahlen in den USA, die gewiss auch eine weltpolitische Bedeutung haben. Werden sich die Amerikaner erneut für den höchst umstrittenen Trump entscheiden? Trifft jene Mehrheit die bessere Entscheidung, wenn sie für einen sichtbar alten Joe Biden oder einen anderen Gegenkandidaten votiert? Und schließlich: wer bewertet zuverlässig, was richtig und falsch, Recht und Unrecht ist? Sollten dies etwa die Gegner einer Mehrheit tun?
Das sind alles keine neuen Fragen in der Menschheitsgeschichte und sie werden es bleiben. Die öfter so als Erfinder der Demokratie bezeichneten alten Griechen wussten bereits darum, dass eine mächtige und wirtschaftlich starke Minderheit zum Unglück eines Volkes führen kann. Man diskutierte auch, ob Menschen die keine oder wenig Ahnung von einem Sachverhalt haben überhaupt wählen dürfen und damit womöglich sachfremde Entscheidungen zu einer darin fehlgeleiteten Mehrheit führen (s. Reform des Kleisthenes und Solon um 500 v. Chr.).
Genau das war auch das Thema, das dieser Vers aus dem Mose-Buch (Exodus)noch ein paar Jahrhunderte früher aufdeckte. Der Vers stammt aus einer Gesetzestextsammlung im Anschluss an die Verkündigung der 10 Gebote. Statt „Unrecht“ übersetzen übrigens hier viele Ausleger wohl sinngemäßer mit „nicht der Menge zum Bösen folgen“. Hinter allen diesen Vorschriften (Gesetzen) stecken Lebenserfahrungen und der Wunsch, zukünftig vor Irrwegen bewahrt zu werden. Und davon gab es nach biblischem Zeugnis nicht wenige in der Geschichte Israels. Der Glaube an Gott, auf dessen Hilfe man sich gerne erfolgreich verließ, bewahrte nicht davor, in manchen Phasen sogar andere Götter anzubeten (z.B. Baalskult). War man einst (um 1350 v.Chr.) den Ägyptern und der mit ihnen verbundenen Sklavenzeit auf wundersame Weise entronnen (bis heute ist das der zentrale Gegenstand des jüdischen Passahfestes!), so lehnte man sich wenig später gegen den Führer des Volkes (Mose) auf und zog Gottes Wirken in Zweifel. Die Propheten berichteten in ihrer Epoche davon, wie - mit einem heutigen Wort umschrieben – der ungezügelte Kapitalismus in der Mehrheit des Volkes aufblühte, das Recht gebeugt und die Armen unterdrückt wurden, wo immer das wirtschaftliche Vorteile brachte (s. Buch Amos). Sollte man sich überdies nicht besser auf sich selbst verlassen, als auf einen oftmals verborgenen Gott? So ging man politische Bündnisse ein, vor denen die Propheten (s. Jeremia) eindringlich im Auftrag Gottes warnten.
In den letzten rund 4000 Jahren sind die Menschen und ihre mentalen und moralischen Probleme offensichtlich vergleichbar geblieben, auch wenn die damit verbundenen Themen natürlich heute andere sind. Mehrheiten waren und sind kein Garant für richtige Entscheidungen. Aber was machen wir mit dieser Feststellung? Welche Antworten führen weiter? Woher wissen wir, ob und wann eine Mehrheit im Unrecht ist? Sind Mehrheiten im politischen Raum anders zu verstehen als im kirchlichen /religiösen oder gar sehr persönlichen Bereich?
Darauf gibt es auch für gläubige Menschen keine einfachen Antworten. Ein Blick in die christliche Kirchengeschichte zeigt sogar, dass auch gläubige Mehrheiten etwa mit ihren vielfältigen Kreuzzügen gegen Andersdenkende auf dem Holzweg waren.
Wie es dazu kommen konnte? Was man als Christ dagegen tun kann?
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Ich bin gespannt, welche (neuen) Blickwinkel sich auftun,
vielleicht schon im
Juli Anno Domini 2024
© D.E.